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Die besondere Geschichte
Leute, esst Quark. Quark kühlt!
Gewidmet meinem Vater. Und einem unbekannten Knecht...
Wenn im Hochsommer die schnell. Meine Mutter hatte danach war es üblich, dass werden. Dafür gab es ein
Sonne vom Himmel brennt, aufs Kochen verzichtet und man neben seiner Arbeit zur Zubrot und nach getaner Ar-
was das Zeug hält und die er- eine Quarkspeise serviert. Erntezeit bei den Bauern des beit auf dem Bauernhof ein
sten Felder sind abgeerntet, Die konnte man sofort, ohne Dorfes half. Moderne Ernte- ordentliches Abendessen für
alle Helfer.
Einer der Weiteröder Bauern
hatte besonders viele Felder
zu bearbeiten und benötigte
entsprechend viele Arbeits-
kräfte. Sie alle saßen eines
Abends erschöpft an dem
großen Tisch und wollten
gerade mit dem Essen begin-
nen, als der Bauer rief: „Leute,
esst Quark. Quark kühlt!“
Sein Knecht gab brummend
zurück: „Und ich ess’ Butter,
und wenn ich verbrenn’!“
Man kann sich vorstellen,
dass diese Antwort wie ein
Lauffeuer durch das kleine,
beschauliche Weiterode ging.
So eine Frechheit des Bauern.
Quark war ja viel billiger war
als die gute Butter, aber doch
bei weitem nicht so nahrhaft.
Und dann diese Schlagfer-
Weiterode von seiner allerschönsten Seite: Schon immer war das liebenswerte Dorf berühmt für seine sagen- tigkeit seines Untergebenen.
haften Festzüge. Dieser hier fand Ende der 1950er Jahre statt. Vorne links mein Vater als Schornsteinfeger, dane- Eine derart witzig verpackte
ben sein bester Freund, der echte Schornsteinfeger Achim Becker. Forderung nach Gerechtig-
keit in ein paar dahinge-
denke ich oft an meine Kind- Pusten, herunterschlingen. maschinen gab es noch nicht, brummten Worten.
heit zurück. Die Sommerfe- Ein hervorragender Zeitge- und das, was heute ein Mäh- Für mich ist die Replik des
drescher in ein paar Minuten Knechts zu einem geflügelten
rien waren die schönste Zeit winn.
der Welt. Wir Dorfkinder wa- Jedes Mal, wenn es im Hoch- schafft, musste damals von Wort geworden, das mich seit
ren kaum noch zu Hause. Den sommer Quark zu Mittag gab, Hand in vielen Stunden an- meiner Kindheit begleitet. Als
ganzen Tag trieben wir uns rief mein Vater lachend: „Leu- strengender Arbeit erledigt Erinnerung an meinen Va-
in den Gärten und Feldern te, esst Quark! Quark kühlt!“
herum, erkundeten die Ge- Ich liebte diesen Spruch, der
gend, bauten Hütten, badeten noch weiter geht. Weil sich
am Baggerloch und waren so dahinter eine kleine Anekdo-
frei, wie ein Mensch nur sein te aus seiner eigenen Kind-
kann. Handys gab es keine, heit verbarg.
und unser tägliches Aben- Mein Vater stammte aus
teuer wurde nur von den Kir- Weiterode. Als er selbst ein
chenglocken unterbrochen. kleiner Junge war, litt sein
Wenn es läutete, rannten wir Heimatdorf stark unter den
nach Hause und verputzten Folgen des Zweiten Welt-
unser Mittagessen in Windes- kriegs. Aber die tüchtigen
eile, damit wir uns so früh wie Weiteröder hatten die Ärmel
möglich wieder treffen konn- hochgekrempelt und ver-
ten. suchten, wieder zurück zur
An den heißesten Tagen Normalität zu finden. Was der junge Erwin Lorey hier angestellt hat, weiß man nicht. Auf jeden
Fall hat Knecht Ruprecht scheinbar ordentlich zugehauen.
des Sommers ging das mit In dieser ersten Zeit des
dem Mittagessen besonders Aufbruchs und noch lange
4 | das beste!