Bebra verändert sich und die Bürger der Stadt können diesen Wandel aktiv mitgestalten. Genau hier setzt die Bürgergenossenschaft Bebra – Be! eG an. Gegründet aus dem Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung und der Idee, die Zukunft der Stadt gemeinsam zu gestalten, bietet die Genossenschaft ein einzigartiges Instrument, um die Ideen der Bebraer umzusetzen. Im Interview erfahren wir von Hans-Joachim Schweitzer (Vorstandsmitglied) wie die Genossenschaft funktioniert, welche Projekte bereits umgesetzt wurden, wie man Mitglied werden kann und welche Visionen die Initiatoren für die Zukunft haben.
- Herr Schweitzer, was ist die Idee hinter der Bürgergenossenschaft Bebra – Be! eG?
Ideen, besser gesagt, denn zum einen hat sich die Stadt sogar mit Beschluss der Stadtverordneten mehr Bürgerbeteiligung – am liebsten über eine Bürgergenossenschaft – gewünscht. Und zweitens habe ich im Rahmen der Zukunftskonferenz “Mein Bebra in 10 Jahren” die Idee der Bürgergenossenschaft Bebra entwickelt, um einfach ein Instrument zu haben, mit dem man die vielfältigen Ideen der Bebraer festhalten und verwirklichen kann.
- Welche Ziele verfolgt die Bürgergenossenschaft konkret?
Konkret wollen wir die Wünsche und Ideen der Bebraer umsetzen. Wir wollen zum Wohle unserer Mitglieder und zum Wohle der Stadt und den Stadtteilen Bebra zu einem lebenswerteren Ort machen. Zum Wohle der Mitglieder meint dabei nicht nur das Finanzielle, denn obwohl eine Genossenschaft gewinnorientiert arbeitet, steht bei der Bürgergenossenschaft noch mehr das nichtmaterielle Wohl aller im Vordergrund. Alles Geld, das die Genossenschaft einnimmt, wird auch wieder in Bebra investiert.
- Wer kann Mitglied werden und wie funktioniert die Mitgliedschaft?
Die Bürgergenossenschaft lebt durch ihre Mitglieder und für ihre Mitglieder. Mitglied kann jeder werden. Mann, Frau, Kind oder auch Firma. Das Mitglied steht an oberster Stelle. Es ist sozusagen der Souverän, wie in einer Demokratie. Jedes Mitglied hat, unabhängig von der Anzahl der Anteile, eine Stimme, und wählt einen Aufsichtsrat, der wiederum einen Vorstand bestellt und kontrolliert. Der Vorstand ist die Geschäftsführung der Genossenschaft. Dessen oberstes Ziel ist das Wohl der Mitglieder. Der Beitritt zur Genossenschaft ist ganz einfach über dieses Formular möglich. Schon ab einem Anteil zu 100 € ist man dabei. Möglich sind aber natürlich auch mehrere Anteile.
- Welche Projekte oder Initiativen wurden bereits umgesetzt?
Wir starten mit einer 100 kWp PV-Anlage auf dem Dach des Aldi-Gebäudes. Einfach nur, um so genügend Einspeisevergütung zu erwirtschaften, dass die Verwaltungskosten der Genossenschaft gedeckt sind, denn obgleich Aufsichtsrat und Vorstand ehrenamtlich arbeiten, entstehen Kosten für Mitgliederverwaltung, Versicherung und Buchführung.
Das zweite Projekt wird jedoch ein echter Knaller: Wir wollen Bebraern, die keine Lust haben, sich mit der Materie zu beschäftigen, eine maßgeschneiderte PV-Anlage mit Speicher ins Eigenheim bringen. Die Kosten der Anlage trägt die Genossenschaft. Diese verkauft den so produzierten Strom an das Eigenheim zu einem günstigeren Preis als der gewählte Energieversorger. Aus einem Teil der Ersparnis zur bisherigen Stromrechnung zahlt das Eigenheim zusätzlich einen kleinen Beitrag zur Finanzierung der PV-Anlage. So profitieren alle: Das Eigenheim spart Geld, hat für 20 Jahre einen fixen Stromtarif und finanziert daraus die eigene PV-Anlage. Die Mitglieder profitieren von der – im Vergleich zur Volleinspeisung – höheren Vergütung für den Strom und von der zusätzlichen Rate. Die Umwelt und die Stromnetze profitieren davon, dass der Strom dort verbraucht wird, wo er produziert wird: in Bebra.
- Wie wird entschieden, welche Projekte unterstützt oder umgesetzt werden?
Der Vorstand entscheidet das. Wir sind aber auf die Mithilfe und die Ideenvielfalt der Bebraer angewiesen. Auch wenn die ersten Projekte Energieprojekte sind, wollen wir uns nicht nur hierauf beschränken. Unsere Satzung ist bewusst extrem weit gefasst und würde uns quasi ein jegliches Betätigungsfeld erlauben wie Kneipe, Bürgerbus, Internetmarktplatz und so weiter. Nichts muss, aber alles kann. Hier sind die Ideen der Bebraer gefragt und wenn diese dazu noch wirtschaftlich sinnvoll sind, werden sie zum Wohle aller umgesetzt – ganz ohne Politik und Bürokratie.
- Wie wird die Bürgergenossenschaft finanziert?
Durch ihre Mitglieder. Die Mitglieder bilden mit ihren Geschäftsanteilen das Stammkapital der Genossenschaft. Jedem Mitglied gehört somit auch der seinem Anteil entsprechende Teil am Gesamtkapital der Genossenschaft. Die Gewinne der Genossenschaft finanzieren dann weitere Projekte oder werden an die Mitglieder ausgeschüttet. Für die Gründungskosten haben wir uns um eine Förderung von 7.500 € vom Ministerpräsidenten Boris Rhein aus der hessischen Staatskanzlei beworben und schlussendlich auch bekommen. So starten wir bereits im ersten Jahr mit einem ausgeglichenem Jahresergebnis anstatt mit einem Verlust.
- Wie wird die Genossenschaft bei den Bürgern angenommen?
Am 27.02.2025 waren es 22 mutige und engagierte Gründungsmitglieder. Heute sind es bereits 53, aber ich hoffe, dass wir irgendwann alle 13.000 Einwohner erreichen – am besten also heute noch über den QR-Code bewerben!
- Welche Herausforderungen begegnen Ihnen aktuell in der Arbeit der Bürgergenossenschaft?
Ehrenamtliche Tätigkeit ist immer auch eine Herausforderung und natürlich gibt es Rückschläge, aber wenn ich eines dabei gelernt habe, ist es, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt. Zu sehen, wie etwas entsteht, wie Bebra ein stückweit zusammenrückt, belohnt für alle Mühen.
- Wie sehen Sie die Zukunft – welche langfristigen Ziele verfolgen Sie?
Ich hoffe wirklich, dass wir noch ganz viele Menschen erreichen können, die in der Bürgergenossenschaft Mitglied werden wollen. Jeder kann etwas tun und sich einbringen. Auch die, die sonst vielleicht lieber nichts machen, können Anteile für 100 € erwerben, Mitglied werden und so die Arbeit der anderen unterstützen.
- Gibt es Kooperationen mit Unternehmen oder Organisationen?
Ja, die gibt es. Wir haben für ein anderes Förderprojekt eine Kooperation mit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) verwirklicht und im Zuge dessen sowohl mit der Stadt Bebra als auch mit den Stadtwerken Bebra Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit erwirken können. Darüber hinaus arbeiten wir mit der Stadtentwicklung Bebra zusammen, um die Dachfläche auf dem Aldi anzupachten.
- Wie kann man sich als Bürger konkret engagieren?
Mitmachen. Ideen einbringen. Anpacken. Mitglied werden.
- Abschließend: Was bedeutet es für Sie ganz persönlich, „echt bäwersch“ zu handeln?
Ich bin ja sozusagen „ur-bäwersch“. Als ich 2016 mit meiner Familie nach Bebra zurückgekommen bin, hat es mich fast umgehauen, was aus Bebra alles geworden ist. Das hat mir gezeigt, dass “echt bäwersch” eben auch anpacken, dranbleiben und gestalten bedeuten kann.







